Sonntag, 24. Januar 2016

text /// Wir sind am Ende.

Prolog.

Auf den Klinken liegt der Staub der letzten Jahre. Und die Pflanzen sind verdorrt. In Wahrheit war ich schon lange nicht mehr hier und hab schon lange keinen Platz mehr zwischen diesen Kartons. Neben den alten Kaffeetassen glänzen die Ringe der Bierflaschen auf dem Holz. Die Heizungen sind kalt und die Luft riecht nach Teer und Kalk. Und das Blei an meinen Füßen bricht in Stücke. Und der Beton in meinem Magen löst sich auf. Draußen scheint die Sonne in die Höfe. Ich gehe ans Fenster und wage einen letzten Blick hinaus.



Das ist nicht deine Stadt, steht an der Mauer gegenüber, du wirst hier nicht finden, was du suchst.
Keiner nimmt uns an die Hand und zeigt uns das Leben und die Einfachheit des Seins so wie in den Serien, die wir in unserer Jugend an verregneten Wochenende auf dem Sofa gesehen haben. Eingewickelt in Decken und den Rauch von Zigaretten und den heißen Dampf von Tee. Die liebgewonnenen Freunde wühlten sich in zwanzig oder vierzig oder sechzig Minuten durch Flagfeuer von Eifersucht, Tod, Intrigen, Leben und Schmerz um am Ende ihres Weges Hand in Hand mit der Liebe ihres Lebens durch das Tor der gemeinsam erkämpften Zauberkugel zu gehen.

Das sind unsere Momente, eingebettet in das Leben eines Bildschirms. Am Ende ist alles gut. Wir müssen uns in diese Annahme ergeben, um zu existieren. Alles andere würde uns auffressen und einsam in Kammern voller nicht nachgefragter Träume sitzen lassen. Es ist diese Verwundbarkeit, die uns anziehend macht. Es ist diese Unnahbarkeit, die falsch ist. Am Ende sitzen wir alle auf den Sofas unserer Wohnungen und sehen unser Leben wie Serien, komprimiert auf ein paar Staffeln von fünf oder zehn oder fünfzehn Folgen, vor unseren Augen in HD vorbeilaufen und erfinden uns das Ende selbst – denn es kann noch nicht vorbei sein. Es muss noch eine Staffel geben. Nur wann, wissen wir nicht. Und der Gedanke an etwas Besseres, dass etwas Schöneres kommt, dass wir nackt und voller Narben uns gegenübersitzen können und außer unserem unbeschwerten Lachen nichts zu hören sein könnte, hält uns wach, wenn alle anderen schon lange schlafen. Es sind die Köpfe, die in unseren Herzen stecken, die uns das Atmen schwer machen. Die uns die Luft nehmen, wenn wir sie am dringendsten brauchen. Dabei liegt die Welt weit hinter diesen Horizonten, die wir uns mit dicken Stiften vor die Augen malen. Und mit jedem Blinzeln verwischen die einst klaren Linien und breiten sich in unserem Sichtfeld aus wie ein tiefschwarzer Schleier. Die Hoffnungen gehen ein, das Geld geht aus und wir sitzen in den Bahnen und niemand kann uns noch in die Augen schauen. Und wir werden nie finden, was wir suchen.

Und am Ende waren wir nie da. Und am Ende war ich nie da. Und am Ende warst du nie da.
__________


Und ich blicke ihr nach, wie sie die Treppe nach unten nimmt. Und meine Narben schmerzen. Und ich lege den Kopf an den Türrahmen und lächle. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen