Dienstag, 11. Dezember 2012

text /// Heimatbesuch.


Finde mich am Grill wieder, endlose Gespräche später. Arbeit, Freundin, Wohnung, Zukunft, Auto - Patrick Bateman fehlt mir hier ein wenig.
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Passiere das Ortseingangsschild. Schön gelb in der Herbstsonne. War schon lange nicht mehr hier und erkenne doch alle Bäume, jeden Briefkasten und Straßennamen. Autoradio ist laut und der Fahrtwind weht durchs offene Fenster, Zigarette an.

Bei Mama gibt es Roulade und Salzkartoffeln. Gemüse hat sie vergessen zu kaufen und auf den Sonntag bekommt man hier auch keines mehr, meint sie. Da hätte ich es in der Stadt ja besser. Wobei, der ganze Verkehr wäre ja auch nichts für sie. 'Nein, nein. Dann ohne Gemüse', sagt sie und setzt sich. Das Aquarium blubbert leise, im Wohnzimmer knackt der Kamin. 

'Und wann fährst du deine Freunde besuchen', fragt Mama. 
'Gleich nach dem Mittagessen, gibt dann Kuchen, bin sowieso schon spät dran.'
'Achso, bestell Grüße.'
Die Rouladen sind hier die besten der Welt. Zu Hause. 

Die Hoftür ist offen. Im Garten hinter dem Haus haben sich alle versammelt. Auf dem Tisch steht Kuchen und Bier. Irgendwo riecht es nach Kaffee. Der Grill zieht dichte Rauchschwaden über die Terrasse. Musik kommt aus Lautsprechern, die in die offenen Fensterrahmen gestellt wurden. 

'Da bist du ja, schön dass du es geschafft hast. Er freut sich sicher, dass du hier bist.'
Begrüßungsfloskeln nehmen ihren Lauf. 'Jahrelang nicht gesehen', Interesse, geheuchelt und real, kaum zu unterscheiden bei all der Glückseligkeit die auf der Wiese herrscht. Vater drückt mir Bier in die Hand, eine Tante umarmt mich und riecht nach zu viel Parfum. Beide sind alt geworden. Händeschütteln, Umarmungen - überall Menschen die mich lange kennen. Der Segen des Lebens fernab der Stadt. Anonymität adé. 

Gerede.

'Ja ich arbeite, bitte? Eine kleine Wohnung am Tiergarten. Balkon ja, aber nein, keine Südseite. Büro läuft gut. Viel zu tun, ja wir sind auch gut durch die Krise gekommen, erstaunlich, was? Keine Frau nein, auch keine Freundin.' Gestelltes Grinsen. 

Greife das zweite Bier und sehe endlich alte Freunde. Auf der Wiese, einige mit Kindern. Schüchterne Umarmungen mit den meisten, nur bei wenigen fühlen sich die Jahre nicht wie sich gegenseitig abstoßende Magnete an. Gerede über Kinder, zumeist. Aber angenehmer als mit seiner Familie, mehr auf Augenhöhe. 

Die Sonne steht schon tief, es ist früher Nachmittag. Herbst eben.

Finde mich am Grill wieder, endlose Gespräche später. Arbeit, Freundin, Wohnung, Zukunft, Auto - Patrick Bateman fehlt mir hier ein wenig. Kurz Stille am Grill. Beklemmend irgendwie. Mutter und Vater blicken auf. 'Ich muss dann bald los', sage ich. Entsetzen. 'Nicht vor dem Abendessen', sagt man mir. Ich trage meine Exit-Strategie gekonnt vor und überzeuge alle Anwesenden, dass ich keine andere Wahl habe, so gern ich die Hackwürstchen des Vaters und Omas Nudelsalat auch gekostet hätte. Das Bedauern ist groß, der Widerstand jedoch gebrochen. Ein bisschen schwach.

Kurz noch pissen, denk ich. Auf dem Weg komme ich an einem Schränkchen im Wohnzimmer vorbei. Ein Strauss Blumen, allerhand Karten für ihn, anscheinend hat jeder der hier Anwesenden mindestens drei geschrieben. Ich greife in die Tasche meines Jacketts, zücke den Umschlag und lehne ihn vorsichtig an die lächerlich kitschige Blumenvase. Ein Grinsen entkommt mir, kein gestelltes, auf solchen Kitsch steht er. Auf dem Foto sieht er feierlich aus, über beide roten Wangen grinsend, zufrieden und fett. Hobbit.

Mit dem Autoschlüssel in der linken und zu vielen Abschiedshänden in der rechten Hand bahne ich mir den Weg durch die Feierlichkeiten und sehe zu, dass ich mich nur von den Wichtigsten, ach was, den Wenigsten verabschiede. Motor an, Zigarette an, Fenster runter. 

'Kannst du mich noch eben absetzen?', fragt ein bekanntes Gesicht.
'Klar, spring rein', antworte ich mit der Kippe zwischen den Lippen.
Du steigst ein, ich lasse die Kupplung kommen.
'Immer noch bei deinen Eltern', frage ich.
'Kennst ja den Weg dahin, früher waren wir mit ihm ja immer bei mir', sagst du.

Ab da, Schweigen. Hals zugeschnürt. Kopf pocht. Schmerzen in der Schläfe. Ich schmeiße die Zigarette auf die Strasse, zünde eine neue an. Fünf Minuten Fahrt, wie ein Leben lang. Oder eben nicht.

Deine Tür geht auf, du steigst aus. Drehst dich um und beugst dich runter.
'Weißt du noch, was wir vor zehn Jahren alles vor hatten? Wir drei und das Leben. Kannst du dir vorstellen ihn nie wiederzusehen? Den Hobbit?'

Deine Worte hallen nach.

'Nein. Aber ich hätte mich gern von ihm verabschiedet, mit einem Handschlag', sage ich leise.

Du reichst mir die Hand, ein fester Händedruck unter Freunden und ein Blick zwischen Männern, dann passiere ich das Ortsausgangsschild. Tieforange in der untergehenden Herbstsonne. Hobbit, dieser Tag hat sich für dich hübsch gemacht. Ich schmunzle und drücke aufs Gas.

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